[Während dem Verfahren um Kinderbelange vor der Kindesschutzbehörde (KESB) beim Gericht eingereichte Kindesunterhaltsklage – gegen den Entscheid der KESB gerichtete Beschwerde ans BGer – Rechtsbegehren auf Feststellung der Nichtigkeit dieses Entscheides] Die KESB ist grundsätzlich und insb. bei nicht verheirateten Eltern die zur Regelung von Kinderbelangen bzw. für Kindesschutzmassnahmen zuständige Behörde (vgl. Art. 315 ZGB), soweit nicht bereits ein Gericht mit den entsprechenden Fragen befasst ist, namentlich im Rahmen eines Eheschutz- oder Scheidungsverfahrens (vgl. Art. 133, Art. 176 Abs. 3, Art. 298 und Art. 315a f. ZGB). Von der generellen aussergerichtlichen Regelungszuständigkeit ausgenommen ist jedoch der Kindesunterhalt: Die KESB darf in diesem Bereich nicht autoritativ entscheiden. Die auf den 1.1.2017 im Rahmen der Revision des Kindesunterhaltes in Kraft getretenen Gesetzesänderungen (Koordinationsregel, s. Art. 298b Abs. 3 und Art. 298d Abs. 3 ZGB sowie Art. 304 Abs. 2 ZPO) gehen dahin, dass das mit der Unterhaltsfrage befasste Gericht im Sinn einer Kompetenzattraktion auch über die Zuteilungsfragen und die weiteren Kinderbelange entscheidet. (…) Zwar hat die KESB die Entscheidkompetenz namentlich über die Obhut und die Betreuungsanteile an das Gericht abzugeben, sobald dieses mit der Unterhaltsfrage befasst ist. Dennoch lässt sich nicht sagen, dass ein in Verletzung der richterlichen Kompetenzattraktion ergangener KESB-Entscheid über die Obhut und/oder die Betreuungsanteile nichtig wäre, entscheidet doch die KESB hier im Bereich ihrer genuinen Kernzuständigkeit. Zudem wird ihre Entscheidkompetenz in hängigen Verfahren lediglich im Zusammenhang mit Unterhaltsklagen und damit bloss ausnahmsweise derogiert; Grundsatz ist, dass die KESB jene Verfahren, die bei ihr im Zeitpunkt der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens anhängig sind, zu Ende führt (vgl. Art. 315a Abs. 3 Ziff. 1 ZGB). Vor diesem Hintergrund ist der zufolge richterlicher Kompetenzattraktion nachträglich eingetretene Zuständigkeitsverlust jedenfalls nicht “offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar”. Auch der Umstand, dass die Parteien sich vorbehaltlos auf das Verfahren eingelassen und dieses auch nach Hängigkeit der Unterhaltsklage vorbehaltlos weitergeführt haben, ist bei der Frage der Nichtigkeit zu berücksichtigen (BGE 136 II 489 E. 3.3). (E. 5) Objektiv rechtsfehlerhafte Entscheidungen sind nur ausnahmsweise nichtig, indes grundsätzlich anfechtbar. Ob im vorliegenden Fall der obergerichtliche Entscheid, gegen den fristgerecht Beschwerde beim BGer erhoben wurde, aufzuheben oder ob er angesichts der vorbehaltlosen Fortführung des KESB-Verfahrens durch die Parteien zu schützen wäre, ist mangels entsprechenden Rechtsbegehrens (denn verlangt wurde einzig die Feststellung der Nichtigkeit, vgl. BGE 91 I 374 E. 5) und diesbezüglicher Beschwerdebegründung nicht zu beurteilen (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG).
2019-N24 Entscheid einer sachlich unzuständigen Behörde – Welche Rechtsfolge?
Bem. F. Bastons Bulletti
1 Die Mutter eines ausserehelich geborenen Kindes wendet sich an die Kindesschutzbehörde (KESB), wobei sie eine Neubeurteilung der Betreuungssituation verlangt. Die Behörde fällt ihren Entscheid, gegen den der Vater vergeblich Beschwerde erhebt. In der Folge gelangt er mit Beschwerde ans BGer. Zum ersten Mal beantragt er die Feststellung der Nichtigkeit des Entscheids der KESB aufgrund von deren sachlichen Unzuständigkeit. Ebenfalls erstmals bringt er vor, dass er vor der Einleitung des Verfahrens bei der KESB parallel im Namen des Kindes ein Unterhaltsverfahren mit Schlichtungsgesuch rechtshängig gemacht hat; in der Folge hat er die Klage gegen die Mutter beim Gericht eingereicht, während das Verfahren vor der KESB noch lief. Erst an der Hauptverhandlung im Unterhaltsverfahren, nämlich nach dem Ergehen der jeweiligen Entscheide der KESB und des Rechtsmittelgerichts seien sich die Parteien der sich aus den neuen Art. 298b Abs. 3 und Art. 298d Abs. 3 ZGB ergebenden Unzuständigkeit der KESB bewusstgeworden. Das BGer weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt. Es anerkennt die Unzuständigkeit der KESB, weigert sich aber, die Nichtigkeit festzustellen. Ferner lässt es die Frage nach der Anfechtbarkeit des Entscheides der KESB mangels Rechtsbegehren wie auch mangels diesbezüglicher Begründung in der Beschwerde offen.
2 In Bezug auf die materielle Zuständigkeit erwägt das BGer, dass das Gesetz infolge der am 1. Januar 2017 in Kraft getretenen Revision des Kindesunterhaltsrechts (Art. 298b Abs. 3 ZGB; Art. 298d Abs. 3 ZGB; Art. 304 Abs. 2 ZPO) neu eine Kompetenzattraktion zugunsten des mit einer Kindesunterhaltsklage befassten Gerichts in dem Sinne vorsieht, dass dieses auch für die Beurteilung der weiteren Kinderbelange zuständig ist. Ist ein in die Zuständigkeit des KESB fallendes Verfahren im Zeitpunkt der Einreichung der Unterhaltsklage bereits rechtshängig, ist die Sache an das Gericht weiterzuleiten. Es ist zu betonen, dass diese Kompetenzattraktion zahlreiche verfahrensrechtliche Fragen aufwirft, die das BGer noch nicht zu beantworten hatte (vgl. insb. S. Zogg, Selbständige Unterhaltsklagen mit Annexentscheid über die weiteren Kinderbelange – verfahrensrechtliche Fragen, FamPra.ch 1/2019, 1 ff.; E. Senn, Verfahrensrechtliche Streiflichter zu den Revisionen der elterlichen Sorge und des Kindesunterhaltsrechts, FamPra.ch 4/2017, 971 ff.). Insb. sind im Verfahren vor der KESB beide Elternteile Partei, während die Parteien im Unterhaltsverfahren das Kind und der beklagte Elternteil sind. In dieser Beziehung – auch wenn sich die Frage im vorliegenden Fall nicht stellte – weist das BGer (vgl. E. 4 des Urteils) darauf hin, dass der am Unterhaltsverfahren nicht beteiligte Elternteil – der aber das Kind in diesem Verfahren zumeist vertritt, vgl. das unten erörterte Urteil BGer 5A_244/2018* – in diesem Verfahren förmlich dann einzubeziehen ist, wenn darin auch Fragen der Kinderbelange behandelt werden. Allerdings sagt das BGer nicht, in welcher präzisen Form dieser Einbezug, von dem zahlreiche Fragen abhängen (z.B.: Ist der «einbezogene» Elternteil als Partei oder als Zeuge anzuhören? Ist er befugt, die Klage zurückzuziehen?), erfolgen muss. In diesem Zusammenhang müssen weitere Urteile abgewartet werden.
3 Obwohl die KESB somit sachlich unzuständig war, weigert sich das BGer, die Nichtigkeit ihres Entscheides festzustellen. Es bestätigt seine diesbezügliche Rechtsprechung und erinnert daran, dass die materielle Unzuständigkeit zwar die Nichtigkeit des Entscheides nach sich ziehen kann; allerdings ist diese Rechtsfolge nicht zwingend. Vielmehr tritt sie nur dann ein, wenn die Unzuständigkeit offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar ist und die Feststellung der Nichtigkeit die Rechtssicherheit nicht ernsthaft gefährdet (vgl. Anm. unter Art. 238, A.a.1, insb. BGE 129 I 361 E. 2.1). Dies ist dann nicht der Fall, wenn der verfügenden Behörde auf dem betreffenden Gebiet allgemeine Entscheidungsgewalt zukam (vgl. Anm. unter Art. 238, A.a.2, insb. BGE 137 III 217 E. 2.4.3 m.H.; BGer 5A_647/2010 vom 10.3.2011 E. 5 [die Unzuständigkeit ratione valoris genügt zur Nichtigkeit des Entscheides nicht]). Nun gehörte aber im vorliegenden Fall die Beurteilung der Betreuungssituation zu einem Gebiet, in dem die KESB über eine allgemeine Entscheidungsgewalt verfügt: Denn die Befugnis, in einem selbständigen Verfahren (d.h. ausserhalb eines eherechtlichen Verfahrens) über Kinderbelange zu entscheiden, kommt der KESB grundsätzlich zu und wird ihr nur ausnahmsweise entzogen, insb. dann, wenn ein Gericht mit einer Klage auf Kindesunterhalt befasst ist. Daher war die materielle Unzuständigkeit nicht offensichtlich, sodass der Entscheid nicht nichtig sein konnte (im gleichen Sinne, für den Fall der sich aus der Rechtshängigkeit eines Scheidungsverfahrens ergebenden sachlichen Unzuständigkeit einer KESB: BGer 5A_393/2018 vom 21.8.2018 E. 2.2.2, Anm. unter Art. 238, A.a.2). Diese Lösung ist keine Überraschung und völlig überzeugend: Die Nichtigkeit gefährdet die Rechtssicherheit und muss die Ausnahme bleiben. Dies bestätigt das Urteil für eine sich aus dem neuen Art. 204 Abs. 2 ZPO ergebende sachliche Unzuständigkeit.
4 Trotz der gerechtfertigten Ablehnung der Nichtigkeit bleibt der Entscheid der sachlich unzuständigen Behörde immerhin rechtsfehlerhaft. Dann stellt sich insoweit die Frage nach dessen Aufhebung, als die Beschwerde zulässig ist. In dieser Beziehung überrascht das Urteil (vgl. E. 5) eher. Einerseits hält das BGer mangels eines Rechtsbegehrens auf Aufhebung wie auch mangels einer diesbezüglichen spezifischen Begründung der Beschwerde fest, auf die Frage könne nicht eingegangen werden (unten N 5). Zudem wird suggeriert, auch wenn die Frage geprüft werden könnte, sei nicht sicher, ob der Entscheid aufzuheben wäre (unten N 6).
5 Im vorliegenden Fall wurde die materielle Unzuständigkeit erst im Stadium der – an sich zulässigen – Beschwerde ans BGer angerufen. In Anwendung des BGG (Art. 42 Abs. 1 und 2) wies das BGer darauf hin, die Aufhebung des Entscheides setze spezifische Rechtsbegehren und eine spezifische Begründung voraus (vgl. E. 5 des Urteils; im gleichen Sinn vgl. BGE 136 II 489 E. 3.2). Da solche in vorliegenden Fall fehlten, weigerte sich das BGer zu prüfen, ob der Entscheid aufzuheben war.
5a In der vorliegenden, auf die ZPO ausgerichteten Kommentierung ist die Frage nicht unter dem Gesichtspunkt des BGG zu prüfen. Hingegen erscheint uns, dass die Lösung in einem kantonalen Rechtsmittelverfahren nicht dieselbe sein könnte, wenn – zu Unrecht – einzig auf die Feststellung der Nichtigkeit als Folge der sachlichen Unzuständigkeit geschlossen wird. Art. 60 ZPO schreibt die Prüfung der Prozessvoraussetzungen, zu denen die materielle Zuständigkeit zählt (Art. 59 Abs. 2 lit. b ZPO), von Amtes wegen vor. Daraus wurde in der Rechtsprechung abgeleitet, auch die Rechtsmittelbehörde müsse die sachliche Unzuständigkeit von Amtes wegen, auch ohne entsprechende Rügen und Rechtsbegehren, feststellen (vgl. Anm. unter Art. 60, A.a.a. und unter Art. 310, II.A.b., insb. BGer 4A_100/2016 vom 13.7.2016 E. 2.1.1 n.v. in BGE 142 III 515; BGer 4A_291/2015 vom 3.2.2016 E. 3.2; BGer 4A_301/2015 vom 3.2.2016 E. 3.2; BGer 4A_488/2014 vom 20.2.2015 E. 3.1, n.v. in BGE 141 III 137; TC/VD vom 4.9.2015 (2015/461) E. 2c, JdT 2015 III 245; OGer/ZH vom 4.4.2016 (NG150023) E. 2.3 m.H.). Zwar begründet das BGer diese Rechtsprechung damit, dass ein durch eine sachlich unzuständige Behörde gefällter Entscheid nichtig sein kann. Ist der Entscheid der unzuständigen Behörde nicht nichtig, sondern nur auf dem Rechtsmittelweg anfechtbar, kann u.E. das Fehlen eines subsidiären Rechtsbegehrens auf Aufhebung des Entscheids und einer spezifischen Begründung dieses Rechtsbegehrens dennoch nicht dazu führen, dass die Anfechtbarkeit des Entscheides nicht geprüft werden könnte. Da die Nichtigkeit den Charakter einer qualifizierten Ungültigkeit hat, ist u.E. einerseits davon auszugehen, dass der Rechtsmittelkläger, der auf Feststellung der Nichtigkeit schliesst, – a majore ad minus – auch auf die Aufhebung des Entscheids schliesst (vgl. BGer 5A_702/2016 vom 28.3.2017 E. 3, Anm. unter Art. 58 Abs. 1, C.3.: die Feststellung der Nichtigkeit ist im Rahmen eines Ungültigkeitsprozesses zulässig; auch BGE 132 II 342 E. 2.3: auf die Aufhebung eines Entscheids abzielendes Rechtsmittelverfahren; Feststellung der Nichtigkeit von Amtes wegen). Andererseits ist mit Blick auf die Begründung der Rüge nicht einzusehen, weshalb diese ungenügend sein könnte: Schliesst der Rechtsmittelkläger auf die Feststellung der Nichtigkeit aufgrund der sachlichen Unzuständigkeit der urteilenden Behörde, rügt er eben gerade die materielle Unzuständigkeit; auch wenn er zur Unterstützung dieser Rüge der Unzuständigkeit neue Tatsachen (unechte Noven) behauptet, sind diese u.E. trotzt Art. 317 Abs. 1 und Art. 326 ZPO grundsätzlich von Amtes wegen zu berücksichtigen (vgl. Bem. in Newsletter vom 18.1.2018 zum Urteil BGer 4A_229/2017, i.f.; vgl. auch Anm. unter Art. 60, A.a.b., insb. BGer 4A_100/2016 vom 13.7.2016 E. 2.1 n.v. in BGE 142 III 515; zur Zulässigkeit der Noven im Rahmen der strkten Untersuchungsmaxime s. BGE 144 III 349 E. 4.2.1, Anm. unter Art. 317 Abs. 1, B.a.b), dies jedoch unter Vorbehalt eines Rechtsmissbrauchs (vgl. unten N 7). Aus der Begründung kann das Gericht von Amtes wegen eine andere Rechtsfolge ziehen als der Rechtsmittelkläger, d.h. den Entscheid aufheben, anstatt dessen Nichtigkeit festzustellen, ohne von den formulierten und begründeten Rügen abzuweichen. Vielmehr hat das BGer bereits entschieden, es erübrige sich dann, die Frage nach der Nichtigkeit zu beurteilen, wenn ein durch eine sachlich unzuständige Behörde gefällter Entscheid gehörig angefochten wird, da dieser Entscheid aufgehoben werden kann (BGE 140 III 227 E. 3.3, Anm. unter Art. 138, A.a.5.). M.a.W. genügt die zur Unterstützung des Rechtsbegehrens auf Feststellung der Nichtigkeit vorgebrachte Begründung, sofern sie zulässig ist, unbedingt auch dafür, die Aufhebung des Entscheids zu begründen, die diesfalls ausschliesslich zu prüfen ist.
5b Immer noch im Stadium eines kantonalen Rechtsmittelverfahrens kann die Rechtslage dann unterschiedlich sein, wenn sich der Rechtsmittelkläger gar nicht auf die sachliche Unzuständigkeit stützt: Zwar ist die Bestimmung von Art. 60 ZPO, die sich im allgemeinen Teil des Gesetzes findet, auch im Berufungs- oder Beschwerdeverfahren anwendbar (vgl. gerade für die materielle Unzuständigkeit oben N 5a). Jedoch kann u.E. das Rechtsmittelgericht insoweit nicht gehalten sein, den von niemandem behaupteten Mangel von Amtes wegen festzustellen, als dieser Mangel die Nichtigkeit des Entscheides (klarerweise) nicht zur Folge hat.
6 Wenn auch ohne die Frage zu beantworten (vgl. N 5), erwägt das BGer weiter, dass sich die Aufhebung des Entscheids angesichts der vorbehaltlosen Fortführung des KESB-Verfahrens durch die Parteien auch dann nicht aufdrängen würde, wenn der Mangel des Entscheids Gegenstand zulässiger Rechtsbegehren und Rügen bilden würde (vgl. E. 5 des Urteils). Damit scheint es eine Einlassung in Bezug auf die materielle Zuständigkeit als zulässig erachten zu können. Kann nun aber eine derartige Einlassung für die Verweigerung der Sanktion der Nichtigkeit eine Rolle spielen (vgl. den in E. 4 i.f. des Urteils erwähnten BGE 134 II 489 E. 3.3), ist die sachliche Zuständigkeit gemäss bisher konstanter Rechtsprechung (vgl. Anm. unter Art. 4, B., insb. BGE 138 III 471 E. 3.1) der Parteidisposition entzogen, es sei denn, das Gesetz sähe eine Wahlmöglichkeit vor, was bei den im vorliegenden Fall fraglichen Bestimmungen gerade nicht der Fall ist (vgl. Art. 298b Abs. 3 und Art. 298d Abs. 3 ZGB, Art. 304 Abs. 2 ZPO). Somit kann die materielle Zuständigkeit anders als die örtliche Zuständigkeit (vgl. Art. 17 und 18 ZPO) weder vereinbart werden noch Gegenstand einer Einlassung sein (vgl. Anm. unter Art. 4, B. und unter Art. 60 A.a.a., insb. BGE 143 III 495 E. 2.2.2.3. i.f.; BGE 142 III 515 E. 2.2.1; BGE 140 III 355 E. 2.4; BGer 4A_488/2014 vom 20.2.2015 E. 3.2 n.v. in BGE 141 III 137). Damit ist nicht klar, wieso der Umstand, dass sich eine Partei auf eine sachlich unzuständige Behörde eingelassen hat, an sich die Aufhebung des Entscheides verhindern könnte, und dies selbst dann, wenn der Mangel nicht derart gravierend ist, dass er die Nichtigkeit mit sich bringen würde. Vielmehr hat das BGer entschieden, dass dem Beklagten, der sich auf ein sachlich unzuständiges Gericht einlässt, damit die Möglichkeit nicht genommen wird, die Unzuständigkeit nachträglich anzurufen und sogar in einem Rechtsmittel die Aufhebung des Entscheides zu verlangen, die der Richter ohnehin von Amtes wegen verfügen muss (Art. 60 ZPO und oben N 5a; BGer 4A_488/2014 vom 20.2.2015 E. 3.1 n.v. in BGE 141 III 137: Erst im Berufungsverfahren behauptete Unzuständigkeit ratione valoris des erstinstanzlichen Gerichts; auch BGer 4A_100/2016 vom 13.7.2016 E. 2.1 und 2.2.1 teilw. publ. in BGE 142 III 515: Erst im bundesgerichtlichen Verfahren behauptete – nicht offensichtliche – sachliche Unzuständigkeit). Wie dem auch sei: Indem das BGer die Frage offengelassen hat, kann nicht vermutet werden, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen der – zwar nicht nichtige – Entscheid der unzuständigen KESB trotz einer zulässigen Beschwerde gestützt werden könnte, und auch nicht, ob diese Stützung, wenn sie möglich wäre, auch in anderen Fällen der sachlichen Unzuständigkeit erfolgen könnte. Von einer gültigen Einlassung je nach den Umständen auszugehen, wenn der Mangel (sehr) wenig schwer ist, mag verlockend sein, könnte jedoch eine unerwünschte Rechtsunsicherheit schaffen.
7 Im Ergebnis ist dem Urteil dennoch zuzustimmen: Die Aufhebung des KESB-Entscheides hätte dazu geführt, die gleichen Fragen durch das mit der Unterhaltsfrage befasste Gericht erneut beurteilen zu lassen, dies zum Nachteil der Prozessökonomie und ohne dass ein entsprechendes Interesse daran ersichtlich wäre. Insb. ist kein wichtiger Unterschied zwischen der (vereinfachten, Art. 295 ZPO) beim Gericht und bei der KESB jeweils anwendbaren Verfahrensart zu erblicken, wobei zu bemerken ist, dass beide der strikten Untersuchungs- und der Offizialmaxime unterliegen (Art. 296 Abs. 1 und 3 ZPO; Art. 314 Abs. 1 cum Art. 446 Abs. 1–3 ZGB). U.E. hätte man jedoch zum gleichen Ergebnis gelangen können, ohne den Grundsatz der Anfechtbarkeit des durch eine sachlich unzuständige Behörde gefällten Entscheids und den zwingenden Charakter der materiellen Zuständigkeit in Frage zu stellen, indem das Verbot des Rechtsmissbrauchs herangezogen worden wäre (Art. 52 ZPO; vgl. zum rechtsmissbräuchlichen Charakter der verspäteten Anrufung der Ungültigkeit einer Klagebewilligung BGer 5A_347/2018 vom 26.10.2018 E. 3.2 und 3.2.4, Anm. unter Art. 60, A.a.a.; zur verspäteten und missbräuchlichen Anrufung der sachlichen Unzuständigkeit, s. BGer 4P.111/2002 vom 8.10.2002 E. 2.4 i.f.). Dass das Gericht die Zulässigkeit von Amtes wegen zu prüfen hat, steht dem nicht entgegen (zit. BGer 5A_347/2018 E. 3.2.4 m.H.: BGE 105 I 149 E. 3a). Im vorliegenden Fall scheint der Beschwerdeführer den Einwand der Unzuständigkeit der KESB zwar nicht wissentlich in petto behalten zu haben, deren er sich offenbar – wie auch die Gegenpartei – erst nach dem Ende des kantonalen Verfahrens bewusstgeworden ist (zur generellen sofortigen Reaktionspflicht für den Fall, dass eine Partei einen Prozessmangel erkennt, vgl. Anm. unter Art. 52, B.a.). Allerdings scheint der Beschwerdeführer durch die Anrufung der Unzuständigkeit der KESB im bundesgerichtlichen Verfahren weniger das – im Übrigen im vorliegenden Fall nicht erhebliche – Interesse daran schützen zu wollen, dass über die Kinderbelange durch das mit der Unterhaltsklage befasste Gericht entschieden wird, als eine neue Chance erhalten zu wollen, seinen Standpunkt durchzusetzen. Da ein derartiges Interesse nicht jenem entspricht, dessen Schutz mit der Regelung der sachlichen Zuständigkeit angestrebt wird, hätte dem Beschwerdeführer das Verbot des Rechtsmissbrauchs entgegengehalten werden können (vgl. Anm. unter Art. 52, A., insb. BGE 138 III 401 E. 2.4.1).
Zitationsvorschlag:
F. Bastons Bulletti in newsletter ZPO Online 2020-N24, Rz…