(E. 6.2) Grundsätzlich entfaltet das Urteil nur für den beurteilten Teilbetrag, nicht jedoch bezüglich der Gesamtforderung Rechtskraftwirkung (BGE 125 III 8 E. 3b; aus der seither ergangenen Rechtsprechung BGer 4A_536/2018 vom 16.3.2020 E. 3.1.1; 4A_270/2018 vom 2.11.2018 E. 1.2; 4A_13/2017 vom 26.1.2017 E. 2.3; 4A_101/2016 vom 6.10.2016 E. 3.2; 4A_352/2014 vom 9.2.2015 E. 3.1; 4A_401/2011 vom 18.1.2012 E. 4; 2C_110/2008 vom 3.4.2009 E. 8.3; 4A_209/2007 vom 5.9.2007 E. 2.2.2; 4C.233/2000 vom 15.11.2000 E. 3a). (E. 6.3) Für den Fall der Abweisung der Teilklage ist jedoch eine weitergehende Rechtskraftwirkung in der Lehre befürwortet, sofern die eingeklagte Teilforderung bloss betragsmässig beschränkt bzw. individualisiert wurde. Diese Auffassung beruht auf der Überlegung, dass die klagende Partei mit einer derartigen Teilklage geltend mache, es sei mindestens der eingeklagte Teilbetrag geschuldet (sogenannter Sockelbetrag). Mit der darauffolgenden Teilklage mache sie dagegen einen sog. Restbetrag geltend, wofür sie behaupten müsse, die Gesamtforderung sei grösser als der Sockelbetrag. Bereits aufgrund des Dispositivs des ersten Entscheids, der die Teilklage (gesamt oder teilweise) abweist, stehe aber fest, dass dies nicht der Fall sei und daher der geforderte Restbetrag nicht geschuldet sei. (E. 6.4.2) Beschränkt die klagende Partei ihr Klagebegehren einzig betragsmässig, darf das Gericht dieses nur abweisen, wenn es zur Erkenntnis gelangt ist, dass der klagenden Partei aus dem behaupteten Sachverhalt überhaupt keine Forderung zusteht. Mit anderen Worten hat es vor der Abweisung der Teilklage die gesamte von der klagenden Partei behauptete Forderung zu prüfen. Bei der Auslegung des Urteilsdispositivs (auf Klageabweisung) ist diesem Prüfungsumfang Rechnung zu tragen, mit der Folge, dass die Rechtskraft eine zweite Klage über einen weiteren Teil derselben Forderung ausschliesst. Dagegen widerspräche eine erneute Beurteilung dem Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsschutzes, der in Art. 59 Abs. 2 lit. e ZPO zum Ausdruck kommt. Dies muss im Übrigen unabhängig davon gelten, in welcher Verfahrensart (s. Art. 243 Abs. 1 ZPO) und von welchem Gericht (s. Art. 4-8 ZPO) die erste Teilklage aufgrund ihres Streitwerts (s. Art. 91 Abs. 1 ZPO) beurteilt wurde und welche Rechtsmittel gegen den Entscheid über die Teilklage offenstanden (s. Art. 308 Abs. 2 ZPO und Art. 74 Abs. 1 BGG). Denn die klagende Partei hat es in der Hand, den Gesamtbetrag anstelle eines Teils davon einzuklagen. (E. 6.4.3) Demgegenüber gilt im Fall der Gutheissung der Teilklage, für den die Nichtbindung weitgehend unbestritten ist, der Grundsatz der beschränkten Rechtskraft eines Urteils über eine Teilklage (s. BGer 4A_352/2014 vom 9.2.2015). (…) Ist die zu beurteilende Teilklage nicht betragsmässig auf einen Teil der Gesamtforderung, sondern vielmehr auf einzelne Schadensposten begrenzt, muss das Gericht – im Gegensatz zum Fall einer einzig betragsmässig beschränkten Klage – auch für eine Abweisung nicht den Gesamtschaden, sondern lediglich die eingeklagten Schadensposten prüfen. Es findet daher in einem solchen Fall ohne Weiteres der Grundsatz Anwendung, dass das erste Urteil das zweite Verfahren über die weiteren Schadensposten nicht präjudiziert, eben gerade weil im ersten Urteil nicht entschieden wurde, dass der klagenden Partei überhaupt (und auch im Grundsatz) keine Forderung zusteht (anders als bei Abweisung eines einzig betragsmässig eingeschränkten Klagebegehrens) (vgl. BGer 4A_13/2017 vom 26.1.2017 E. 2.3; auch C.214/1987 vom 21.6.1988 E. 1d, n.p. in BGE 114 II 279, in dem die abgewiesene Teilklage eine zeitlich abgegrenzte [arbeitsrechtliche] Forderung zum Gegenstand hatte).
2021-N10 Rechtskraft des Entscheids über eine Teilklage und Zulässigkeit der Widerklage auf negative Feststellung: eine (noch nicht vollständige) Antwort des BGer
Bem. F. Bastons Bulletti / M. Heinzmann
1 Die Stiftung A. reicht vor dem Handelsgericht eine Teilklage auf Zahlung von CHF 100’000.- gegen die Bank B. ein. Diese schliesst auf Unzulässigkeit, eventualiter auf Abweisung der Klage. Sie macht die materielle Rechtskraft eines früheren Entscheids des Bezirksgerichts über eine identische Klage geltend: Die C. GmbH (angebliche Verwalterin des Vermögens von A.) hatte eine erste Teilklage auf Zahlung gegen B. eingereicht und sich dabei auf den Anspruch berufen, den A. im vorliegenden Verfahren zu haben behauptet; das Bezirksgericht hatte die Klage abgewiesen. Das Handelsgericht erklärt die Klage gemäss Art. 59 Abs. 2 lit. e ZPO für unzulässig: Einerseits geht es davon aus, dass das Verfahren den gleichen Gegenstand betrifft und zwischen denselben Parteien stattfindet wie das erste Verfahren; andererseits hält es fest, dass sich die materielle Rechtskraft des Entscheids über die erste Teilklage auf den im vorliegenden Verfahren streitigen Anspruch erstreckt. Die Klägerin reicht vergeblich eine Beschwerde ans BGer ein.
2 Das BGer bestätigt zunächst, dass sich die Klage, wie das Handelsgericht festgestellt hat, auf denselben Gegenstand bezieht und dieselben Parteien betrifft wie der frühere Entscheid des Bezirksgerichts (E. 5 des Urteils), sodass die negative materielle Rechtskraft des letztgenannten Entscheids der eingereichten Klage entgegensteht (Art. 59 Abs. 2 lit. e ZPO). Zusammengefasst beziehen sich beide Klagen jeweils auf einen Teil desselben Anspruchs – nämlich auf eine Schadenersatzforderung von CHF 5’000’000.- –, und es liegt ihnen der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde, sodass der Streitgegenstand identisch ist; daran ändert nichts, dass sich die Klägerin im vorliegenden Verfahren auf eine andere Rechtsgrundlage stützt oder neue Tatsachen vorbringt, sofern diese bereits im ersten Verfahren bestanden und damit vom Grundsatz der Präklusion des früheren Urteils erfasst werden (E. 5.2 des Urteils; vgl. auch Anm. unter Art. 59 Abs. 2 lit. e, 4.a, insb. BGE 144 III 452 E. 2.3.2; BGE 139 III 126 E. 3.1). Zudem sind auch die Parteien identisch, da die Klägerin im vorliegenden Verfahren Zessionarin der Forderung der Klägerin im ersten Verfahren ist, wobei die Abtretung nach Eintritt der Rechtskraft des ersten Gerichtsentscheids erfolgt ist (E. 5.3 des Urteils; s. auch die Anm. unter Art. 59 Abs. 2 lit. e, 4.b., insb. BGE 125 III 8 E. 3a).
3 Das BGer wendet sich sodann dem Hauptgegenstand seines Urteils zu (E. 6): Da das erste Gericht, das mit einer Teilklage befasst war, nur über einen Teil des Anspruchs entschieden hat, stellt sich die Frage, ob sich die materielle Rechtskraft seines Entscheids auch auf einen anderen Teil des Anspruchs erstreckt, den die Klägerin im vorliegenden Verfahren einklagt. Das BGer stellt zunächst fest, dass es sich in beiden Prozessen um eine Teilklage handelt, bei der die Klägerin einen Teil ihres Anspruchs geltend macht, indem sie ihre Klage einzig betragsmässig beschränkt – im Gegensatz zum Fall, in dem der Kläger seine Klage auf einen oder mehrere Schadenspositionen unter anderen beschränkt (vgl. unten N 4c). Das BGer erinnert weiter daran, dass der Entscheid über eine Teilklage grundsätzlich nur für den geprüften Teilbetrag, nicht aber für die Gesamtforderung materielle Rechtskraft entfaltet. Dieser Grundsatz fliesst aus der Dispositionsmaxime, wonach sich die Zuständigkeit des Gerichts – und die materielle Rechtskraft seines Entscheids – nur auf den Anspruch(steil) beschränkt, den dem Gericht zu unterbreiten sich der Kläger entschieden hat. Allerdings lässt das BGer hier eine Ausnahme von diesem Grundsatz zu.
4 Die hier vom BGer gewählte Lösung, wonach sich die Rechtskraft des Entscheids über die Teilklage auf den gesamten Anspruch des Klägers erstreckt, wird in der Lehre seit mehreren Jahren (u.E. zu Recht) vertreten (vgl. E. 6.3 des Urteils). Sie erfasst jedoch nicht jeden Entscheid, in dem über eine Teilklage entschieden wird, sondern nur Entscheide, in denen der Richter notwendigerweise den gesamten Anspruch geprüft hat. Die Lösung setzt mithin kumulativ Folgendes voraus:
4a – Die Klage wurde (ganz oder teilweise) abgewiesen. Denn die vollständige Gutheissung der Klage setzt nur die Prüfung des eingeklagten Teils des Anspruchs voraus. Selbst wenn der Richter bei seiner Beurteilung gegebenenfalls Fragen geprüft hat, die für den gesamten Anspruch massgeblich sind (z.B. die Gültigkeit eines Vertrags, das Vorliegen einer unerlaubten Handlung), beschränkt sich die materielle Rechtskraft einzig auf das Dispositiv des Entscheids und damit einzig auf die zugesprochene Leistung. Folglich befreit diese materielle Rechtskraft einerseits den Kläger nicht von einem zweiten Verfahren über den Restbetrag; andererseits ist in diesem späteren Prozess die Beurteilung der geprüften Vorfragen für das Gericht nicht bindend;
4b – Es wurde über eine echte Teilklage, d.h. über einen Teil eines Anspruchs entschieden, dem ein einheitlicher Lebenssachverhalt zugrunde lag, was das Vorliegen eines einzigen Streitgegenstands impliziert – im Gegensatz zum Fall einer unechten Teilklage, die die Ganzheit oder einen Teil eines oder mehrerer Ansprüche unter weiteren betrifft und somit das Vorliegen mehrerer Streitgegenstände voraussetzt, die auf verschiedenen Lebenssachverhalten beruhen, von denen nur einer oder einige dem Gericht unterbreitet werden (vgl. Bem. M. Heinzmann in Newsletter vom 5.10.2017 [zum Urteil BGer 4A_576/2016* vom 13.6.2017, BGE 143 III 506]). Denn das Gericht prüft – auch wenn es die unechte Teilklage abweist – nur die Begründetheit des (der) ihm unterbreiteten Anspruchs (Ansprüche), und nicht der weiteren Ansprüche des Klägers. Folglich kann sich die materielle Rechtskraft nicht auf letztere erstrecken (vgl. auch Bem. M. Heinzmann im zit. Newsletter vom 5.10.2017; vgl. auch BGer 4A_536/2018 vom 16.3.2020 E. 3.1.1 und 3.3.2, zit. In E. 6.2 des Urteils);
4c – Die Teilklage war einzig betragsmässig auf einen Teil der Gesamtforderung beschränkt: So verhielt es vorliegend der Fall, in dem der Schaden in einem einzigen Posten (nämlich der Verlust, der sich aus einer angeblichen «Abverfügung» eines Betrages von CHF 5’000’000.- ergab) bestand, von dem die Klägerin in den beiden Prozessen nur einen Teil (nämlich im zweiten Prozess CHF 100’000.-) einklagte. Anders verhält es sich, wenn der Anspruch nicht nur betragsmässig, sondern auch hinsichtlich der geltend gemachten Forderung(en) begrenzt ist: So betont das BGer, dass bei einer auf einzelne Posten eines Schadens beschränkten Teilklage, der mehrere Posten umfasst (die nach ständiger Rechtsprechung dennoch alle zusammen einen einzigen Streitgegenstand bilden, vgl. BGE 143 III 254 E. 3 und BGer 4A_15/2017 vom 8.6.2017 E. 3.3, Anm. unter Art. 86, A.b.b. und in Newsletter vom 14.9.2017), das Gericht auch für eine Abweisung der Klage nicht den gesamten Schaden, sondern nur die geltend gemachten Schadensposten prüfen muss. Daher kann auch im Fall einer Abweisung nicht gesagt werden, das Gericht hätte endgültig entschieden, dass dem Kläger überhaupt keine Forderung zusteht. Eine Klage für den Restbetrag ist daher zulässig (vgl. BGer 4A_13/2017 vom 26.1.2017 E. 2.3, zitiert und bestätigt im vorliegenden Urteil, E. 6.4.3). Die im vorliegenden Urteil gewählte Lösung dürfte daher in dem in der Praxis häufigen Fall nicht Anwendung finden, in dem eine Haftungs-(Teil-)klage auf bestimmte Schadenspositionen beschränkt wird: Eine Abweisung steht somit einer neuen Klage – gegebenenfalls mit einer verbesserten Begründung, da die Behauptung unechter Noven mangels materieller Rechtskraft nicht am Grundsatz der Präklusion scheitern kann (oben N 2; vgl. E. 3 des Urteils m.H.) – für die weiteren Positionen nicht entgegen. Zudem ist das zweite Gericht nicht an die Beantwortung von Vorfragen durch das erste Gericht gebunden, selbst wenn sich diese Vorfragen in Bezug auf den gesamten Anspruch stellen (z.B. das Vorliegen einer unerlaubten Handlung). Gleiches gilt erst recht, wenn die abgewiesene Teilklage eine unechte, d.h. mit Blick auf den (die) geltend gemachten Anspruch (Ansprüche) beschränkte Teilklage ist, der (die) einen Streitgegenstand bildet (bilden), der (die) sich vom (von den) weiteren vorbehaltenen Anspruch (Ansprüchen) unterscheidet (vgl. oben N 4b).
4d – Auch wenn dies im Urteil nicht erwähnt wird, darf die Abweisung der einzig betragsmässig beschränkten Teilklage nicht ausschliesslich mit der Gutheissung einer vom Beklagten erhobenen Verrechnungseinrede begründet worden sein. Denn in diesem Fall wurde der Teilanspruch des Klägers vom Beklagten notwendigerweise anerkannt, zumindest bis zur Höhe des zur Verrechnung gestellten Betrags; wurde der Einwand eventualiter erhoben, wobei der Beklagte hauptsächlich auf Abweisung schloss, bedeutet ein die Klage aufgrund der Verrechnung abweisender Entscheid, dass das Gericht sowohl die Forderung des Klägers als auch die vom Beklagten zur Verrechnung gestellte Forderung anerkannt hat. Wie dem auch sei: In allen Fällen wurde der Restanspruch des Klägers nicht geprüft, sodass der Abweisungsentscheid in diesem Sonderfall für diesen Restbetrag keine materielle Rechtskraft entfaltet (vgl. BGer 4A_366/2017 vom 17.5.2018 E. 5.2.3 und 5.3, Bem. M. Heinzmann in Newsletter vom 12.07.2018).
5 Diese Rechtsprechung wirkt sich auf die Zulässigkeit einer Widerklage des Beklagten auf negative Feststellung aus: Diese setzt ein schutzwürdiges Interesse an der sofortigen Feststellung des Nichtbestehens des gesamten Anspruchs voraus (vgl. BGE 143 III 506 E. 4.3.1, Anm. unter Art. 86 B.b. und Bem. M. Heinzmann in Newsletter vom 5.10.2017; BGE 145 III 299 E. 2.3, Anm. ibid. und Bem. F. Bastons Bulletti/M. Heinzmann, Newsletter 2019-N21). Erfolgt die Widerklage als Reaktion auf eine Teilklage, die (anders als im vorliegenden Fall) nicht bloss betragsmässig beschränkt ist, ist von einem schutzwürdigen Interesse u.E. dann auszugehen, wenn die vom Hauptkläger noch nicht geltend gemachten Forderungen, deren Nichtbestehen die Widerklage feststellen lassen will, von den in der Teilklage geltend gemachten Ansprüchen interdependent sind, sodass sie trotz des partiellen Charakters der Klage letztlich auf dem Spiel stehen (vgl. zit. Newsletter 2019-N21, Rz. 6c); dies ist in der Regel der Fall, wenn die Teilklage auf bestimmte Schadensposten beschränkt ist, da die nicht eingeklagten Posten mit ihnen einen einheitlichen Streitgegenstand bilden (oben N 4c). Hingegen – und das ist eine wichtige Rechtsfolge des vorliegenden Urteils – fehlt dieses Interesse, wenn die Widerklage als Reaktion gegen eine nur betragsmässig beschränkte Teilklage eingereicht wird, wenn diese Teilklage ganz oder teilweise abgewiesen wird. Denn in diesem Fall wird der Richter notwendigerweise den gesamten Anspruch geprüft und dessen Bestehen zumindest oberhalb eines bestimmten Betrags verneint haben (vgl. oben N 4a und 4c), sodass der Widerkläger kein Interesse mehr an der von ihm bereits erwirkten Prüfung und Feststellung hat (vgl. bereits BGer 4A_194/2012 vom 20.6.2012 E. 1.5, Anm. unter Art. 86, B.a.). Wird die Teilklage hingegen vollumfänglich gutgeheissen, so entspricht die negative Feststellungswiderklage einem Interesse für den Betrag, der in der Teilklage nicht eingeklagt wurde (vgl. zit. BGE 143 III 506 E. 4.3.1 m.H.; auch zit. Newsletter 2019-N21, Rz. 6b). Denn es wird in diesem Fall nicht über den Restbetrag des klägerischen Anspruchs entschieden (oben N 4a), dessen Nichtexistenz eben durch die Widerklage festgestellt werden soll. Daraus folgt, dass, solange der Ausgang der Teilklage nicht bekannt ist, nicht gesagt werden kann, die Widerklage sei mangels Interesses unzulässig. Sie wird als Eventualwiderklage angesehen, die für den Fall eingereicht wird, dass der Teilklage vollumfänglich entsprochen würde; eine solche Klage ist an sich zulässig (vgl. BGer 4P.266/2006 vom 13.12.2006 E. 1.2 und BGer 4A_342/2018 vom 21.11.2018 E. 3, Anm. unter Art. 224, A.; auch Bem. M. Heinzmann in Newsletter vom 5.10.2017).
6 Unterliegt die Teilklage aufgrund ihres Streitwerts dem vereinfachten Verfahren (Art. 243 Abs. 1 ZPO) und die Widerklage dem ordentlichen Verfahren (was ihrer Zulässigkeit nicht entgegensteht, da die Bedingung der Verfahrensidentität [Art. 224 Abs. 1 ZPO] nicht gilt: vgl. Anm. unter Art. 86, B.b., insb. BGE 143 III 506 E. 4, Bem. M. Heinzmann in Newsletter vom 5.10.2017; BGE 145 III 299 E. 2.3, Bem. F. Bastons Bulletti/M. Heinzmann in Newsletter 2019-N 21; BGer 4A_529/2020* vom 22.12.2020 E. 2, Bem. in Newsletter 2021-N3), ist in Erwartung des Ausgangs der Teilklage zu klären, welche Verfahrensart anwendbar ist. Nach der oben erwähnten Rechtsprechung wird das ordentliche Verfahren auf den Prozess anwendbar, und zwar sobald die Widerklage auf negative Feststellung eingereicht wird, oder spätestens, sobald das Gericht auf Antrag des Hauptklägers vorab über ihre Zulässigkeit entscheidet und diese bejaht (BGer 4A_534/2020 vom 29.1.2021 E. 2, 2.4 und 3, Anm. unter Art. 86, B.b. und in Newsletter 2021-N5). Solange aber das Schicksal der Hauptklage (Teilklage) nicht bekannt ist, ist die (Eventual-)Widerklage an sich zulässig (oben N 5 i.f.), zumindest wenn die übrigen Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Klage erfüllt sind (Art. 59 Abs. 2 ZPO); insb. hat der Widerkläger im Fall der Gutheissung der echten Teilklage grundsätzlich ein Interesse an der negativen Feststellung des gesamten Anspruchs (zit. BGE 143 III 506 E. 4.3.1, oben N 5). Solange jedoch über die Hauptklage nicht entschieden wird, ist die Bedingung, der die Eventualwiderklage unterliegt, nicht erfüllt, sodass letztere nicht behandelt werden kann. Daher muss das Gericht den Saldo des Anspruchs nicht von vornherein prüfen, bevor es über die Teilklage entscheidet. So kann das Gericht Art. 126 Abs. 1 ZPO von Amtes wegen oder auf Antrag anwenden und das Verfahren in Bezug auf die Widerklage aus Gründen der Klarheit sistieren, bis über die Teilklage entschieden wird. Somit muss es den Hauptkläger nicht zu einer – für diesen ungünstigen – Änderung des Verfahrens zwingen. Die Teilklage kann daher im vereinfachten Verfahren beurteilt werden. Wird sie ganz oder teilweise abgewiesen, ist festzustellen, dass die Eventualwiderklage gegenstandslos geworden ist (oben N 5; vgl. auch Anm. unter Art. 59 Abs. 2 lit. a, 1.a., insb. BGer 4A_226/2016 vom 20.10.2016 E. 5, Bem. in Newsletter vom 11.01.2017: Fällt das schutzwürdige Interesse im Laufe des Verfahrens weg, ist die Klage für gegenstandslos [und nicht für unzulässig] zu erklären und das Verfahren gemäss Art. 242 ZPO abzuschreiben). Wird die Teilklage vollumfänglich gutgeheissen, muss das Gericht, gegebenenfalls im ordentlichen Verfahren, über die negative Feststellungswiderklage, d.h. über den Restbetrag der Forderung, entscheiden.
7 Eine also nach der Hauptklage – und nur dann, wenn diese in vollem Umfang gutgeheissen worden ist – beurteilte Widerklage erlaubt es dem Beklagten nicht, den Kläger die Vorteile der Teilklage, insb. die allfällige Anwendung des vereinfachten Verfahrens, unmittelbar verlieren zu lassen; das Interesse, den Hauptkläger um die Vorteile der Teilklage zu bringen, ist jedoch nicht schutzwürdig. Der Widerkläger behält dennoch den Vorteil des Gerichtsstands des Sachzusammenhangs (Art. 14 ZPO) und des Fehlens eines zwingenden Schlichtungsverfahrens (Art. 198 lit. g ZPO). Jedenfalls sind (echte) Teilklagen, die nur betragsmässig begrenzt werden, seltener als Teilklagen, die einen oder einige Schadensposten betreffen. Nun bringt aber das vorliegende Urteil wie gesehen keine Änderung für letztere und damit auch nicht für die Zulässigkeit negativer Feststellungswiderklagen, mit denen die Beklagten (oft sind es Versicherer) auf eine Teilklage reagieren (s. oben N 4c und 5). Es bleibt daher am BGer, die Frage zu klären, die es kürzlich offengelassen hat (BGer 4A_529/2020* vom 22.12.2020 E. 2.2, Anm. unter Art. 86, B.b.), «wie weit das [negative] Feststellungsinteresse der beklagten Partei allgemein reicht, wenn der Kläger in einem Haftpflichtprozess bloss einzelne Schadensposten einklagt».
Zitationsvorschlag:
F. Bastons Bulletti / M. Heinzmann in Newsletter ZPOOnline 2021-N10, Rz…